Am Riemen gerissen – Der Zahnriemen am Heck feiert bei Harley-Davidson seinen 40. Geburtstag
Riemenantrieb – so nennt man eine simple und effektive Art der Kraftübertragung zwischen Wellen. Ventilsteuerzeiten von Motoren werden damit geregelt, Plattenteller angetrieben und Industrieroboter bewegt. Das Konzept an sich ist steinalt und kam in der Ära der Industrialisierung zu seiner Blüte. Eine starke zentrale Dampfmaschine trieb seinerzeit über Stahlwellen an den Decken sowie Riemenscheiben und Transmissionsriemen eine Vielzahl einzelner Maschinen an, die in großen Werkshallen aufgereiht nebeneinanderstanden. Später nutzte man die Idee mit den Wellen, Scheiben und meist ledernen Flachriemen auch andernorts – etwa in der Landwirtschaft und im Bergbau. Es lag also durchaus nahe, Motorräder mithilfe dieser Technik anzutreiben. So vermittelte das erste Bike, das die Namen seiner Schöpfer Harley und Davidson am Tank trug, die Power seines rund 405 Kubikzentimeter großen Einzylinders über einen Lederriemen an das Hinterrad. Das klappte recht gut, als sich Leistung und Drehmoment der Motoren noch in Grenzen hielten. Doch spätestens mit der Einführung des ersten Harley-Davidson-V-Twins im Jahr 1909 kamen der lederne Flachriemen und der seinerzeit optional erhältliche Keilriemen an ihre (Schlupf-)Grenzen.
Daher erhielt der V2 bereits im Jahr 1912 optional eine Kette als Sekundärantrieb und das Prinzip setzte sich mit der Zeit durch: Über Jahrzehnte hinweg trieben nun Ketten die Hinterräder von Harleys an. Aber es musste doch noch etwas anderes, etwas Besseres und weniger Wartungsintensives geben …
Gab es! Denn auch Riemen nahmen fortan eine rasante Entwicklung. Ihre Form, ihr Aufbau und die verwendeten Werkstoffe wurden immer weiter optimiert und den unterschiedlichsten Anforderungen angepasst. So konnten etwa durch das Einbringen eines Strangs aus sehr zugfestem Material und das Aufbringen einer Deckschicht aus einer besonders verschleißfesten Komponente extrem starke und langlebige Riemen gefertigt werden. Die Einführung eines Riemens mit stabilen, trapezförmigen Zähnen auf der Innenseite erlaubte schließlich die formschlüssige Kraftübertragung ohne Schlupf.
So etwas muss genutzt werden, waren sich Ende der Siebzigerjahre die Ingenieure bei Harley-Davidson einig und sie schufen einen Prototyp, dessen Shovelhead-Antriebsstrang anstelle der üblichen Ketten über gleich zwei Gates-Zahnriemen verfügte – einen für den Primär- und einen für den Sekundärantrieb. Um das Ergebnis zu testen und die Meinung der Community einzuholen, fuhr Harley-Gründerenkel und -Chefdesigner Willie G. Davidson mit dem Bike zur Sturgis Motorcycle Rally. Spätestens auf dem Rückweg wurde ihm klar, dass man eine solche Maschine in Serie fertigen musste. Als er auch noch einen Geistesblitz zu einem spektakulären Design hatte, hielt er diesen während einer Pause auf einer flugs aus dem Müll gefischten Papiertüte fest: ein vollständig in Schwarz gehaltener Look, eine tiefe und flach geduckte Silhouette, Gussräder, ein Drag-Style-Lenker und wenige dezent orangerote Details – die FXB Sturgis war geboren und debütierte 1980 am Markt. Das B in ihrem Typkürzel stand für „Belt“ und ihr Twin-Belt-System mit Hightech-Materialien kam später auch in der Low Rider und der Disc Glide zum Einsatz. Mit dem Debüt des Evolution-Motors im Jahr 1984 hielt der Sekundärantrieb mittels Zahnriemen allmählich in allen Harley-Baureihen Einzug. Nach den Touring-, FX/R- und Softail-Typen stattete die Motor Company 1991 auch ausgewählte Sportster-Modelle mit Zahnriemen aus und seit 1993 rotieren alle Harley-Hinterräder an Riemen. Letztere wurden im Laufe der Jahre noch schlanker und reißfester – Kevlarverstärkung und mit Polyurethan ummantelte Aramidfasern machen’s möglich.
Längst gilt der Zahnriemen unter Kennern als „die“ Alternative zu Kette und Kardan, denn er ist leise, sauber, nahezu wartungsfrei und punktet mit einer sehr langen Lebensdauer. Das lästige Rasseln, Reinigen, Nachspannen und Fetten einer Kette sowie die damit verbundene Ölschmiere am Bike entfallen ebenso wie die schwergewichtigen Bauteile eines Kardans, die ebenfalls der Schmierung und Wartung bedürfen. Unschöne Lastwechselreaktionen kommen erst gar nicht auf, da der Riemenantrieb spielfrei verbaut wird und eine hohe Elastizität aufweist. Darüber hinaus ist sein Wirkungsgrad enorm hoch – ein klarer Vorteil gegenüber dem Kardan.
Wer sich selbst ein Bild machen will, besucht uns einfach, bucht eine Probefahrt auf einer der 2020er-Harleys und genießt eine Technik, die seit nunmehr 40 Jahren ebenso unauffällig wie effizient ist.
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